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Liebes DER-Team,
ich denke, ich bin der richtige für Euch, da ich es liebe zu reisen, ob Kurztripps, Städtetrips oder natürlich in den wohlverdienten Urlaub. Dabei ist es mir sehr wichtig, soviel vom Land und den Leuten mit nach Hause zu nehmen wie nur möglich. Im mittleren Alter von jetzt 43 achtet man ja auch schon auf Details und diese versuche ich immer in Reiseberichten fest zu halten. Für mich gibt es kaum schöneres, als in Erinnerungen zu schwelgen, wie z.B. in einem Fotobuch mit tollen Bildern und meinen Reiseerlebnisse zu schmökern. Eine Leseprobe anbei:
The City That Never Sleeps
“Start spreading the news, i am leaving today, i want to be a part of it, New York, New York,
these vagabond shoes they are longing to stray, right through the very heart of it New York, New York,
i want to wake up in that city that doesn't sleep, and find i`m king of the hill top of the heap
my little town blues they are melting away i gonna make a brand new start of it in old New York…”
„Verbreite schon mal die Neuigkeit, dass ich heute abhaue. Ich will endlich dazugehören - zu New York.
Meine Vagabundenschuhe sehnen sich danach, mitten durch das Herz von New York zu streunen.
Ich will in einer Stadt aufwachen, die niemals schläft, und merken, dass ich wie ein König auf dem Gipfel des Berges stehe.
Die Kleinstadtdepression verflüchtigt sich. Ich fang noch mal ganz von vorn an - in New York …“
Mit diesem Lied von Frank Sinatra konnte ich bisher nicht viel anfangen, aber seit dem 03. November 2013 ist das anders, ganz anders. War es doch einer der emotionalsten Momente in meinem Leben, nach meiner Hochzeit, der Geburt meiner beiden Töchter und dem 3:1 Sieg von Borussia Mönchengladbach gegen den FC Bayern vom Januar 2012, als beim Start des legendären New York City Marathons dieses Lied aus den Lautsprechern ertönte.
Für mich war es schon immer ein Traum gewesen, einmal in meinem Leben in die Stadt der Superlative zu reisen. Und seit ich vor ein paar Jahren begann, mir regelmäßig die Laufschuhe zu schnüren, wuchs natürlich der Wunsch und das Verlangen dort vielleicht sogar einmal den Marathon zu laufen. Einmal durch den Big Apple, einmal auf dem Empire State Building zu stehen, einmal der Freiheitsstatue in die Augen zu sehen, einmal dem Bronzebullen an der Wall Street an die Glocken zu fassen, einmal über die größte Hängebrücke der USA zu laufen, einmal eben Frank Sinatras „New York, New York …“ beim Start zu hören, einmal unter 50.000 Sportlern aus aller Welt durch das Ziel im Central Park zu laufen, nur einmal.
Zu meinem 40. Geburtstag erfüllte ich mir diesen Traum, unterstützt von meiner Familie, Verwandtschaft, Kollegen und Freunden, verbunden mit einer unvergesslichen Städtereise in die 8,5 Millionen Einwohner Metropole.
Schon Wochen und Monate von dem Abflug wuchs die Aufregung vor dem was vor mir lag und die Endorphinproduktion lief auf Hochtouren. Alleine in die Vereinigten Staaten, alleine nach New York City, die Einreiseformalitäten usw. Aber im Nachhinein war das alles Firlefanz zu dem was einem diese Stadt an Eindrücken vermittelt.
Am 30. Oktober startete die Maschine. Der Flug zum JFK International Airport verlief völlig problemlos, auch der Bustransfer. Da die Ausfallstraßen nach Manhattan völlig überlastet waren, wählte der Fahrer eine Route über Brooklyn, Williamsburg und Long Island, wo mich verschiedene Szenerien schon an mein Englischreferat aus der 9. Klasse erinnert, nämlich über die „broken-glass-quarters“ die Anfänge der Rapszene in New York City. Während ich das Hotel erreichte ging zwischenzeitlich die Sonne unter und die Lichter in Midtown Manhattan brannten erbarmungslos. Schnell eingecheckt, Koffer aufs Zimmer, kurz frisch gemacht und ab in die Stadt, die bekanntlich niemals schläft, was sie auch wirklich nicht tut.
Und ab da schlug ein Highlight das andere, und das Tag für Tag. Das Edison-Hotel liegt dermaßen ideal zentral, dass nur wenige Schritte ab Hotelhinterausgang nach rechts notwendig waren, um direkt an der Ecke Seventh Avenue / Broadway zu stehen, der lang gestreckten, aus unzähligen Lichtern und Leuchtreklamen flirrenden Kreuzung, dem Mekka amerikanischer Showkultur - der berühmtesten Kreuzung der Welt, dem Times Square. Ich war so was von überwältigt von den Anblick, dass mir Tränen in den Augen standen, ich war überglücklich, schwer impressed und erschlagen von diesen enormen ersten Eindrücken.
Hinzu kam, dass ich damit auf der ja nicht weniger bekannten, längsten und ältesten Straße New Yorks, dem Broadway, stand. Ich schlenderte ein paar Blocks entlang, vorbei an Macy`s und dem Madison Square Garden, als ich dann schon eines der Wahrzeichen, das mit 443 m siebthöchste Gebäude der Welt, das Empire State Building im Blickwinkel hatte. Was für ein gigantischer Anblick. Und da ich schon mal da war und ich um diese Zeit nicht mehr mit langen Wartezeiten gerechnet habe, immerhin besuchen rund 35 000 Menschen den vielleicht schönsten Wolkenkratzer der Welt täglich, ließ ich mir die Fahrt mit dem Aufzug in den 86. Stock bis zur Freiterrasse nicht nehmen.
Ich wurde oben mit der bisher spektakulärsten und atemberaubendsten Aussicht meines Lebens belohnt. Die Sicht war relativ gut, obwohl es leicht bedeckt war. Orientieren konnte ich mich oben aber noch nicht, aber das war mir noch so was von egal. Manhattan lag mir zu Füßen und der Rundumblick reichte weit über New York City und New Jersey hinaus und ich konnte es immer noch nicht fassen hier oben, über den Dächern von Manhattan zu stehen.
Manhattan ist nicht ganz New York, aber sein berühmtester Teil und den überblickt man am besten aus der Luft, denn das Wahrzeichen ist und bleibt die grenzenlose Skyline. Ein Häusermeer aus 5400 gigantischen Beton-, Stahl- und Glaskolossen.
Für mich als Neuling im Big Apple war die unverwechselbare Silhouette des Empire State Building der erste optische Anker im Straßengewirr.
Überglücklich und zufrieden, müde und mit einem Hot Dog bestückt trat ich den Rückweg an. Das New York tatsächlich niemals schläft, hatte ich dann schon während der ersten Nacht festgestellt, denn das ist nicht nur eine Redewendung, sondern eine Tatsache. Durchschlafen ist also nur möglich, sofern man in einem Hotel residiert, welches sich in unmittelbarer Nähe zum Broadway befindet, mit etwa 1-2 Liter Bier oder Ohrstöpsel. Wir wählten meist die Biervariante.
Am nächsten Morgen ging es vereinbarungsgemäß, natürlich erst nach einem ordentlichen Frühstück wie es sich für einen New York Aufenthalt eben gehört mit Bacon, Eggs, Hash browns und Kaffee bis zum abwinken, zur Marathonmesse in das J.K. Javits Convention Center. Aus läuferischer Sicht führt hieran kein Weg vorbei, denn in dem Messezentrum gibt es die Startunterlagen. Und wir bekamen erneut das enorme Sicherheitsbedürfnis der Amerikaner zu spüren. Taschenkontrollen, Körperscanner, Passkontrollen. Dafür aber befanden wir uns dann im wahrscheinlich größtem Asics Store weltweit. Ein Schlaraffenland für jeden Laufsportbegeisterten - holladiewaldfee.
Tütenbepackt und einige Dollar leichter ging es anschließend zurück zum Hotel, kurz frisch machen, Kamera im Anschlag und ab durch die Mitte.
Es begann zu regnen, aber das war so was von egal, denn selbst bei Regen gibt Manhattan die tollsten Fotomotive her. Die Temperaturen betrugen um die 20° Grad, es war also für unsere Verhältnisse relativ warm.
Immer dem Broadway entlang ging es gen Süden, am Madison Square Park vorbei bis eines der beliebtesten Fotomotive, das 87 m hohe Flatiron Building vor uns stand. Es war einer der ersten Wolkenkratzer der Stadt, um 1902 gebaut und mit seiner ungewöhnlichen Form eines Bügeleisens unter der Top Ten meiner Lieblingsgebäude von New York City.
Um kurz die „Wir-Form“ zu erklären - ich war ja nicht allein unterwegs und das war auch gar nicht schlecht so. Die unbeschreiblich phantastische und erlebnisreiche Zeit verbrachte ich mit meinem Zimmerkollegen Uwe, genannt Uwe „ich brauch ja nur nen Kaffee zum Frühstück“ und Gerald, genannt Gerry „ich will die World Marathon Majors laufen“.
Wir passierten den Union Square, Greenwich Village, den historischen SoHo District bis das neue Hochhaus am Ground Zero sichtbar wurde und böse Erinnerungen an die unfassbaren Bilder und Berichte aus 2001 hochkamen, doch von all dem war kaum mehr was zu sehen, nur ein riesiger Baustellenkomplex mit dem fast vollendetem neuen 541 m hohem „One World Trade Center“.
Und schon hatten wir den Battery Park und somit die Südspitze Manhattans - „Lower Manhattan“ erreicht. Hier hatten die Amerikaner 1776 ihre Unabhängigkeit erklärt, hier hatte die US-Regierung ihren Sitz und
hier an der Promenade des Hudson River konnten wir erstmals Lady Liberty bewundern, ihr aber weder in die Augen, noch unten den Rock sehen, dafür aber segelten Möwen über unsere Köpfe, die Staten Island Ferry tuckerte hin und her, die Fähre nach Ellis Island kreuzte ihren Weg und hier ließen wir erstmal die Seele baumeln.
Wir hatten bis hierhin zig Meilen zurückgelegt, aber wen juckt es, wir waren in New York City, der Stadt, die das Trauma des 11. September überwunden hat. Manhattan ist wieder da. Neue Hochhäuser kratzen an den Wolken, die Kunstszene explodiert, Galerien rüsten auf, Plazas werden zu neunen Flaniermeilen, es gibt unzählige Restaurants und spektakuläre Bars. Diese Stadt mit Worten auf Papier zu bannen ist genauso unmöglich wie den französischen Namen der Freiheitsstatue fehlerfrei in den Schnee zu pinkeln oder über den East River. Auf sicher keine andere Stadt der Welt trifft das Wort „unbeschreiblich“ mehr zu und ich war erschlagen von den Eindrücken.
Unsere nächste Top-Adresse in Lower Manhattan war die Wall Street. Hier liegt das Epizentrum des New Yorker Finanzbezirks, die Herzkammer des amerikanischen Kapitalismus mit der größten Börse der Welt. Und das sieht man. Hier wird nicht mehr nur Geld verdient, es wird hier auch ausgegeben. Viele ehemalige Büros sind luxuriöse Wohnungen geworden mit Luxusgeschäften in den Erdgeschossen.
Seit Dezember 1989 ist er das Wahrzeichen der Wall Street – der Bronzebulle. Eines Morgens stand er plötzlich vor dem Eingang der New York Stock Exchange (NYSE), Rätsel und Sensation zugleich.
Die Polizei schaffte ihn fort, brachte ihn aber nach Protesten der New Yorker wieder zurück und platzierte ihn wenige Tage später ein paar Straßen weiter südlich ans Bowling Green, wo der Broadway beginnt. Dort trotzt er bis heute dem Wetter, wie dem Terror, seine Schnauze blank gescheuert von tätschelnden Touristen und ja, ich habe ihm an die Glocken gefasst.
Auf dem Rückweg passierten wir die Trinity Church und drifteten dann in Richtung East Side District ab, einem multikulturellem Paradiesgarten, dem Viertel der Emigranten. Am augenfälligsten natürlich - man riecht es schon Meilen gegen den Wind - die Chinesen in Chinatown, deren Enklave unaufhörlich wächst, während die Italiener sich mehr und mehr aus Little Italy zurückgezogen haben. Eine Augen- und Nasenweise in jeder Hinsicht, auch wenn klassische Sehenswürdigkeiten hier fehlen, aber davon hatten wir bis hierher genügend. Chinatown ist nicht nur ein bunter Tupfer auf dem New Yorker Stadtplan. Noch immer halten dubiose Organisationen das Heft in der Hand und noch immer werden zahllose Einwanderer illegal eingeschleust. Und je weiter wir wieder in Richtung Midtown kamen und vor allem den Times Square erreichten, umso prächtiger, gruseliger, origineller und auffälliger waren die Halloween Kostüme, derer die grad auf dem Weg zu einem der unzähligen Partys unterwegs waren. Ich glaube nirgends sonst auf der Welt ist es verrückter Halloween zu erleben als hier in New York City.
Erschlagen, überwältigt und voll gestopft mit einer Fülle von Eindrücken und dem Erlebten dieses Tages fiel ich irgendwann spät in der Nacht in die Falle. Ich weiß nicht ob irgendwann mal die Aufnahmefähigkeit zu Ende war, keine Ahnung. Die Bilder waren „safe“ und wird mir keiner mehr nehmen.
Am nächsten Morgen, natürlich mega unausgeschlafen, trafen wir uns - auf nüchternen Magen versteht sich - um 7:30 Uhr am Columbus Circle an der Südwestseite des Central Parks mit einigen weiteren Läufern der InterAir-Marathongruppe, sowie Herbert Steffny und Wolfgang Münzel, die sicher nur den Läufern unter uns ein Begriff sind, um einen letzten ruhigen Trainingslauf eben im Central Park zu absolvieren. Es regnete, aber war mit etwa 20° Grad ungewohnt warm. Wir besichtigten dabei einen Teil der Marathonzieletappe, das Zieltor und bekamen dabei noch etwas Tipps von Herbert Steffny.
Dann stand die nächste Tour auf dem Programm, diesmal an die Upper East Side und natürlich erst nach einem sehr sehr sehr reichhaltigem newyorkstyled breakfast.
Vorbei am Grand Central Terminal, dem Chrysler Building und dem United Nations Headquarter , immer mit Blick auf den East River kamen wir an die Queensboro Bridge, die wir eigentlich zu Fuß überqueren wollten, uns aber dann doch für die fußschonendere Alternative mit der Aerial Tramway, einer Luftseilbahn, die Manhattan mit Roosevelt Island verbindet, entschieden haben. Die Ausblicke waren enorm, allein das gigantische Brückenbauwerk, bei dessen Bau 50 Menschen ums Leben kamen; er wurde von Arbeitskämpfen, Auseinandersetzungen um das Design und einen Skandal über zu viel in Rechnung gestellten Stahl überschattet. Zuviel in Rechnung gestelltem Stahl? Ich werde meinem Chef davon berichten.
2,5 km ist das Monster lang, überspannt den East River auf der vollen Breite und die Aussicht ist phänomenal. Roosevelt Island, Queens und Manhattans Südspitze lagen uns zu Füßen.
Wieder zurück schlenderten wir auf der 5th Avenue, einer der bekanntesten Straßen und gemessen an den Mietpreisen eine der teuersten Straßen der Welt. Dementsprechend findet man hier hauptsächlich die Flagship-Stores großer Marken. Wir kamen am denkmalgeschütztem Plaza Hotel vorbei, in welchem schon Kevin allein in New York residierte, am Prunkturm des Baulöwen Trump und natürlich bei Tiffany´s, wo es weiterhin zwar teure Juwelen und Porzellan, aber noch immer kein Frühstück gibt. Louis Vuitton, Gucci, Rolex, Dolce & Gabbana, Prada, Armani, Fendi, Versace, Bottega Veneta, Cartier und Jimmy Choo, sowie für die mit etwas kleineren Budget, Abercrombie & Fitch, Hollister, Michael Kors, Tommy Hilfiger und weiß der Henker, haben ihre Stores in der Fifth. Und ausnahmsweise war ich froh hier nicht meine Töchter on board gehabt zu haben, ich wäre verdammt verarmt.
Apropos „on Board“, um 14:45 war boarding zur InterAir Manhattan Cruise am Pier 83 am Hudson River. Und wie cool ist das denn, Pier 83 liegt genau, aber wirklich haargenau an der Stelle wo US-Airways Flug 1549 am 15. Januar 2009 aufgrund Vogelschlags in den Triebwerken notlanden musste, was statistisch gesehen eigentlich kein zweites Mal vorkommt. Inzwischen riss der Himmel auf und erstrahlte in blau, blauer ging es kaum und die Sonne brannte was das Zeug hielt. Kam ja genau zur rechten Zeit.
Und so eine Schiffstour rund um Manhattan ist mit das schönste und gehört unbedingt zu einem New York Aufenthalt, wie der Bacon zu seinem Egg. Die Ausblicke sind auf jeden Fall unbeschreiblich.
Wenn dann noch das Wetter passt und man auf offenem Deck sitzt, dann stehen doch fotografischen Meisterleistungen nichts mehr im Wege.
Mitten ihm Gewühl vergisst man ja schnell, dass New York eigentlich eine Insel ist. Tatsächlich sind mit Ausnahme der Bronx alle Stadtteile von Wasser umgeben.
Im Hafen noch herrliche Blicke auf das Empire State Building, dann schipperten wir immer Ellis Island entgegen, links Manhattan, rechts New Jersey, vor uns Lady Liberty, der wir immer näher kamen. War das der Hammer? Das war es. Ich war so überglücklich, alles passte perfekt und plötzlich stand sie vor mir. Ich konnte ihr zwar nicht unter den Rock sehen, der war einfach zu lang, dafür aber direkt in ihre blauen Augen.
Für Amerikaner ist sie das wichtigste Symbol des Landes. 93 Meter ragt sie in den amerikanischen Himmel. Was war das für ein Anblick, einfach unbeschreiblich. Es war Liebe auf den ersten Blick.
Wir umfuhren die ganze Südspitze bis dann der nächste Hammer vor uns aufragte, wo der Hudson in den East River übergeht - die Brooklyn Bridge, eine Schönheit unter den Brücken Nordamerikas, vielleicht die schönste überhaupt. In ihrem Schatten geht die Manhattan Bridge direkt dahinter fast unter, gibt aber in Verbindung mit der Brooklyn hammerstarke Bilder ab. Langsam ging die Sonne unter und wir näherten uns der - denn alle guten Brücken sind drei - der Williamsburg Bridge und drehten nach ihr dann zur Rückfahrt um, obwohl die Queensboro noch in Reichweite gewesen wäre. Was waren das für Eindrücke, was für Bilder brannten sich in meinen Kopf, kann man das alles noch aufnehmen? Außer mit der Kamera?
Die untergehende Sonne spiegelte sich in den Fassaden der Bürotürme im Financial District und in den umliegenden Türmen des Ground Zero. Etwa drei Stunden dauerte diese Tour und hätte noch Stunden dauern können, so faszinierte mich diese Stadt, diese Anblicke, diese Bilder. Ich musste der glücklichste Mensch der Welt gewesen sein.
Der Tag war damit aber noch nicht vorbei, das Wetter war prächtig, wir nahezu ausgeruht und wenn wir Langeweile gewollt hätten würden wir Justin Bieber auf Twitter folgen (diesen Spruch hab ich frisch aus „The Big Bang Theory“), wir schlenderten daher lieber durch den Theater District, den Broadway zur Radio City Music Hall, bis wir vor „Top of the Rock“, am Rockefeller Center standen. Das Rockefeller Center ist mit seinen 19 Gebäuden eine eigene Stadt in der Stadt, schon fast so groß wie Castrop-Rauxel, wenigstens aber wie Vestenbergsgreuth, unzählige Geschäfte, Einkaufszentren, Restaurants, auch NBC und Nintendo World sind hier genauso zuhause, wie Bill`s Bar & Burger, wo wir erstmal einen ordentlichen Bacon and Cheddar Burger thick hickory bacon and aged cheddar für $ 9.95 verdrückten, bevor es dann zur Aussichtsterrasse von Top of the Rock auf 260 m Höhe ging und wir den faszinierendsten und atemberaubenden Panoramablick über ganz Manhattan hatten.
Das war es dann mal wieder, denn leider hat der Tag ja nur 24 Stunden und so langsam, aber ganz langsam sollten wir uns auf unser eigentliches Highlight vorbereiten. Das Marathonwochenende hat begonnen. Die Aufregung stieg genauso mehr und mehr, wie die Vorfreude, aber einen Tag galt es noch zu überbrücken und das ist in Manhattan ja überhaupt kein Problem.
Den Start in den Marathonsamstag muss ich sicher jetzt nicht mehr weiter erwähnen, also das Frühstück zumindest, war es schließlich schon Standart, nur die Location wechselten wir. Der Himmel strahlte vom feinsten, die Sonne noch nicht und gerade diese wollten wir beim aufgehen vom Rockefeller Center beobachten. Mittlerweile konnte ich mich auch gut orientieren und selbst bei Tag ist New York von oben einfach unbeschreiblich. Die Aussicht hinüber zum Empire State, bis zur Südspitze, dem One World Trade Center, auch Lady Liberty, der Central Park, Chrysler Building, Brooklyn, Queens, New Jersey, alles zum greifen nah.
Viel mehr hatten wir zu Fuß auch gar nicht mehr vor, schonen war ja angesagt, auch wenn es schwer fiel, wir hatten aus dem Grund die InterAir Stadtrundfahrt im Programm und die war, obwohl ich eigentlich solche Bustouren nicht leiden kann, von enormer Klasse. Die erhaltenen Informationen hätte selbst Dumont, Marco Polo und Polyglott nicht besser vermitteln können. Ich weiß jetzt wo unter anderem Yoko Ono, Beyoncé, Tom Hanks, Sharon Stone und Herr Bürgermeister Bloomberg wohnen, denn abgesehen von Hollywood leben in keiner anderen Stadt so viele Promis wie hier in New York. Wir kamen an Plätzen vorbei, wo meine Lieblingskrimis wie CSI, Criminal Intent und Law and Order spielen, wir kamen nach Harlem, die Upper East Side, noch mal nach Chinatown, noch mal den Battery Park, wieder in die Fifth Avenue. So langsam fühlte ich mich heimisch hier. Von Anspannung keine Spur.
Erst als wir am späten Nachmittag zur Pasta Party im Central Park neben der Tavern on the Green eintrafen, wurde uns wieder bewusst was uns am nächsten morgen bevor steht und dass die Nacht sehr kurz werden würde. Obwohl wir eine Stunde länger schlafen konnten, da die Uhren in der Nacht umgestellt wurden, also eine Woche später als bei uns in Europa.
Und endlich war es soweit. Der Tag war gekommen auf den ich mich lange gefreut hab, lange vorbereitet habe, lange geträumt und nie gedacht hatte, dass es Wirklichkeit werden würde. Aber er war da. Marathonsonntag, 03. November 2013 - Raceday !!
Der Wecker, der verdammte Sack, klingelte um 4:45 Uhr.
Gottseidank, es regnete nicht, dafür aber war es bitterkalt, als die Busse die Läufer im Morgengrauen zwischen 5:30 Uhr und 6:30 Uhr aus allen möglichen Hotels zum Startgelände auf Staten Island kutschierten. Insgesamt luden über 700 Busse erwartungshungrige Läuferscharen aus allen Himmelsrichtungen ab. Einlass nur mit gültiger Startnummer versteht sich. Es waren gerade mal 2° - 3° C, etwas bedeckt und sehr windig. Die Anspannung stieg und stieg. Kurz nach sieben Uhr erreichten wir das Startgelände am Fort Wadsworth und unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen und Kontrollen mischten wir uns unter die Läuferschar. Ich musste ins orange Startvillage, blau und grün gab es noch, ich startete in der ersten von vier Startwellen, Gottseidank. Doch bis dahin waren noch zweieinhalb Stunden Zeit. Der Wind am Fort Wadsworth blies heftig und ließ die gefühlte Temperatur weiter fallen. Das wärmende Zelt war natürlich schon voll, also versorgten wir uns mit heißen Kaffee und Bagels und saßen unsere Zeit auf einem Bordstein und einer „Hollister“-Tüte ab, windgeschützt in Folie eingepackt sahen wir aus wie Penner, oder eingeschweißte Fleischwurst, aber es gab noch lustigere Outfits, die gegen die Kälte helfen sollten. Die Zeit verging dann doch wie im Flug.
Drei Ziele habe ich mir für den New York City Marathon gesetzt:
1. Ankommen, und das möglichst unter 4 Stunden
2. Genießen und
3. Es in die New York Times schaffen (denn dort wurden am Montag danach alle Finisher unter 4:30h namentlich erwähnt)
Um 8:10 Uhr öffneten dann die „Corrals“ der ersten Startwelle, die um 8:55 Uhr wieder schlossen und wir dann direkt zum Start marschierten. Ein Wahnsinnsgefühl, vor mir ragte die Verrazano-Narrows-Bridge auf, ein Anblick, den ich niemals in meinem Leben vergessen werde, in der Ferne spiegelte sich schon die Morgensonne in den Glasfassaden Manhattans. Das Adrenalin lief mir fast aus Ohren und Nase. 1.700 Dixie`s standen verteilt in den Startvillages, nur jetzt an der Brückenrampe nicht mehr. „Wildpinkeln“ führte zur Disqualifikation, es war also zusammenzwicken angesagt.
9:10 Uhr, Start des Elitefeldes der Frauen, unter ihnen unsere „Mocki“, die nach 2:27h als siebte das Ziel im Central Park erreichte, aber soweit war es noch nicht. Dann endlich „The Star Spangled Banner“, die amerikanische Nationalhymne und die ersten Tränen standen in meinen Augen vor Glück? Vor Aufregung? Vor Freude? Ich bebte und stand total unter Strom, so ein genial gigantisches Gefühl war das.
9:40 Uhr, Start der ersten Welle durch einen Kanonenschuss, auf den ich jetzt 4 Jahre gewartet hatte und es ertönte Frank Sinatra aus den Lautsprechern „Start spreading the news i am leaving today i want to be a part of it New York, New York …..“
Die Masse kam in Bewegung, das Getappel tausender Laufschuhe und die Hubschrauber der NYPD waren zu hören, wärmende Pullover und Mützen flogen noch über das Feld und während dem Überschreiten der Startlinie löste sich die Anspannung, ich konnte aber immer noch nicht glauben jetzt den legendären New York City Marathon zu laufen.
Über 4 km ist die Verrazano Brücke lang, entsprechend steil ging es erstmal bergauf, der Ausblick aber war atemberaubend. Zum richtigen Tempo fand ich erst nach etwa 5 Meilen auf der schnurgeraden 4th Avenue in Brooklyn. Tausende von Zuschauern trieben einen an, alle paar Hundert Meter eine Band, Trommeln, Glocken und Anfeuerungsrufe, wie „Go, germany, Go“, „Angie loves you“, „Go ahead“ und „Tom, you look great“ trieben mich an. Dadurch lief ich natürlich deutlich zu schnell und die geplanten Zwischenzeiten, die ich mir an mein Armgelenk gebunden hatte, waren schon hinfällig.
Inzwischen zeigte sich die Sonne, es wurde etwas wärmer, aber der eisige Wind fegte durch die Häuserschluchten.
Nach jeder Meile gab es einen Verpflegungsstand, mit Gatorade und Wasser und ich nutzte sie eifrig. Kurz vor der berühmt berüchtigten Queensboro Brücke, die Queens mit Manhattan verbindet, erreichte ich die Halbmarathon-Marke, während sich der spätere Sieger, Geoffrey Mutai, schon auf der Zielgeraden befunden haben musste. Auf der ansteigenden Brückenrampe kamen die ersten Schmerzen, das Anfangstempo konnte ich nicht mehr halten, die Muskeln ächzten. Aber das ist eben Marathon und der beginnt bekanntlich erst nach 30 Kilometern.
Auf der First Avenue ging es zunächst nach Norden in die Bronx. Die Anfeuerungen der Zuschauer ließen nicht nach, daher war an gelegentliches „gehen“ gar nicht zu denken. „Go, germany, Go“ hörte ich immer wieder. Jetzt dran bleiben, kämpfen, auch wenn nichts mehr geht, es sind doch nur noch ein paar Kilometer. „Bring it home, Tom!“ hörte ich in Harlem und „Chuck Norris never ran a Marathon“ war auf einem Schild zu lesen. Das machte mir immer wieder Mut. Ich pack das, auch wenn es weh tut. Immer wieder hatte ich Tränen in den Augen, weil ich das Ziel zwar noch nicht spürte, aber hören konnte. Im Central Park muss die Hölle los sein, dachte ich mir. Das Tempo wird geringer und geringer, irgendwann macht sich eben das zu hohe Anfangstempo bemerkbar.
Aber ich vergaß nie, ich laufe den Marathon meines Lebens, nicht von der Zeit her, die eh eine eher untergeordnete Rolle spielte, ich darf mitlaufen, das war für mich schon ein Wahnsinns Erfolg genug.
Inzwischen ging es wieder Richtung Manhattan und ich sah viele Läufer die geplagt von Krämpfen stehen blieben. Auch mein Körper sagte: „es geht nichts mehr“ aber der Kopf antwortete: „ muss aber!“. Die letzten Meilen versuchte ich zu genießen und klatschte tausende Zuschauer ab, nur zum lächeln hatte ich keine Kraft mehr.
Von tosendem Applaus getragen, erreichte ich dann endlich den Central Park, die letzten Meilen - Gänsehaut. Hier war ein Höllenlärm. 3:57 stand auf meiner Uhr. Wie gerne hätte ich eine Zielzeit unter 4 Stunden. Gleich hatte ich es geschafft, aber es tat so weh und ich wollte keinen leidenden Eindruck machen, schon gar nicht beim Zieleinlauf. Dann die letzte Rechtskurve, ein kleiner Anstieg noch, noch 300 yards, noch 200, noch 100 ich bin kurz davor, paar Meter noch, ich bin drüber, ich habs geschafft. Gottseidank.
4:01:45 zeigte die Uhr. Es ist vorbei. Überglücklich nahm ich die ersehnte Finisher-Medaille in Empfang und eine Wärmefolie. Schön, dass es vorbei ist und doch auch schade. Andere liefen schneller, andere maskiert und wieder andere jagten Rekorde. Ich habe es genossen und werden den Tag nie und nimmer vergessen, so hart es war, so schmerzhaft es war und gleichzeitig war es ein unbeschreibliches Erlebnis. Während die meisten New York Besucher nur Manhattan kennen lernen, brachte mich der Marathon tatsächlich in alle 5 Bezirke und das in knapp 4 Stunden. Das schafft man selbst mit der Subway nicht, geschweige denn mit dem Auto.
Es gibt schnellere Marathons, billigere und vielleicht auch noch besser organisierte, aber dieses Erlebnis zu toppen wird nicht funktionieren.
Stolz trug ich die Medaille um den Hals bis zum Hotel, natürlich gefolgt von den schweren Beinen. Immer wieder wurde ich dabei angesprochen: „Do you run the Marathon? - wow, awesome!“
Am nächsten Morgen, ich denke den Inhalt unseres Frühstücks muss ich nicht mehr erwähnen, begaben wir uns noch mal zum Central Park, um unsere Medaillen gravieren zu lassen. Der Spaß kostete gesalzene 20 Dollar und eine Stunde Wartezeit, aber hey, das war es doch wert. Und natürlich, nicht zu vergessen, die Montagsausgabe No.: 56,310 der New York Times. Und ja, ich wurde namentlich erwähnt, auf Seite F15.
Aber dann hatten wir noch eine Tour offen, vielleicht eine der schönsten, und meist kommt bekanntlich das Beste zum Schluss, und das obwohl wir eigentlich genügend New Yorker Meilen in den Knochen hatten, aber bis auf das Treppen steigen ging es ja schon wieder halbwegs.
Zunächst fuhren wir mit der U-Bahn, nach Brooklyn, den bevölkerungsreichsten Borough von New York City, zum vielleicht schönsten Spaziergang und den Höhepunkt meines New York Abenteuers - zu Fuß über die Brooklyn-Bridge. Uns erwarteten traumhafte Blicke über den East River nach Downtown ins Finanzviertel und zur Freiheitsstatue, sowie auf die andere Seite nach Midtown zum Empire State. 22 Kilometer Stahlseile halten die 1883 eröffnete und als Weltwunder gefeierte Hängebrücke. Mit jedem Schritt zerlegt das Gitternetz die Skyline in ein neues Bild. Meine Kamera musste geglüht haben.
Wir kamen am höchsten Wohnhaus der westlichen Hemisphäre vorbei, dem Gehry Wolkenkratzer und am berühmten Woolworth Building, alles bei strahlend blauem Himmel, am Platz vor der City Hall tanzten Breakdancer bei affenstarkem Hip Hop sound.
War denn die Zeit wirklich schon vorbei. Soll ich in Kürze wirklich schon wieder in einer Lufthansamaschine Richtung Deutschland sitzen?
Wir sogen die letzen Eindrücke auf, schlenderten durch SoHo und den Washington Square Park, das Empire schon wieder in Reichweite, die Christopher Street und auf dem Broadway.
Wenn die Welt eine Hauptstadt hat, dann ist das New York mit der berühmtesten Skyline der Welt und seinen über 8 Millionen Einwohnern, Tendenz steigend. Sie steht für Magie, Faszination und Mythos, aber auch Widerspruch, sie ist Symbol für Freiheit, aber auch grenzenlose Ausbeutung, für Reichtum, aber auch bittere Armut, New York ist unverschämt teuer und doch gibt es hier auch die besten Schnäppchen. New York ist lebendig, rund um die Uhr, nicht umsonst singt Frank Sinatra von der Stadt, die niemals schläft, und wenn man einmal hier war, will man es wieder - mein Traum ging in Erfüllung, aber ich werde weiter träumen, das steht fest.
Ende